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Gesche Santen

đŸŒŒđŸŽš BlĂŒmchen malen vs. KI: Ein PlĂ€doyer fĂŒr den kreativen Prozess | Feldnotizen von Gesche Santen


Hallo Reader,

es gibt mit meinem Mann einen kleinen Insiderwitz, wenn ich mit meinen Bildern in irgendeiner Form in die allgemeine Öffentlichkeit trete. NĂ€mlich:

Wer wird dieses Mal der “Fotos sind aber genauer”-Mann?

Denn in jeder Ausstellung und auf jedem Onkelgeburtstag gab es einen Herren, der mir erzÀhlte, dass botanische Aquarelle doch sicherlich der Vergangenheit angehören, denn Fotos eigenen sich viel besser, um das Aussehen einer Pflanze prÀziser festzuhalten.

Inzwischen bin ich dazu ĂŒber gegangen einfach mit den Schultern zu zucken und “Dann machen Sie doch Fotos!” zu antworten.
(Und mir den ganzen Monolog dazu spare, warum Illustrationen in der Bestimmungsliteratur hilfreicher sind, gerade wegen der Reduktion und Verallgemeinerung und, dass meine Bilder ja nicht fĂŒr Bestimmungsliteratur gedacht sind usw. 
 > Völlige Energieverschwendung da ernsthaft zu antworten.)

Im letzten Jahr ist mir aber aufgefallen, dass der “Fotos sind aber genauer”-Mann abgelöst wurde durch das “KI macht dich doch jetzt unnĂŒtz und arbeitslos”-MĂ€nnchen.

Die These, die da an mich herangetragen wird, lÀsst sich ungefÀhr so zusammenfassen:

“ Generative KI kann ja jetzt auch echt aussehende Bilder und Illustrationen erstellen. Warum also noch selbst Blumen malen. Botanische Malerei gehört damit wohl der Vergangenheit an.“

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Ich spare mir an dieser Stelle eine AusfĂŒhrung ĂŒber den ethischen und arbeitsrechtlichen Misthaufen, der das Training von KIs ist. Ich will nĂ€mlich auf einen anderen Punkt hinaus.

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Meine These:

Je omniprÀsenter KI-generierte Abbildungen sind, desto wichtiger ist das selbst Malen und desto wertvoller sind handgemalte Bilder.

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Fakt ist nÀmlich:

Wenn es jemanden nur darum geht möglichst schnell und billig an ein Bild von einem Wildkraut zu kommen, ging das schon vorher.

Das Internet ist gefĂŒllt mit (tollen, interessanten) Datenbanken voller copyrightfreier (und hĂ€ufig auch kommerziell nutzbarer) Bilder, einfach weil sie so alt sind!

Die Zeiten sind schon lange vorbei, das “selbst malen” der einzige oder schnellste Weg wĂ€re, um ein Bild einer Wald-Erdbeere in den HĂ€nden zu halten, oder jemanden zu zeigen, wie eine Wald-Erdbeere aussieht.

Je prĂ€senter KI-generierte Bilder in unserem Alltag werden, desto deutlicher wird es nur, dass es beim BlĂŒmchen Malen© schon lange nicht mehr um das Ergebnis geht., bzw. das fertige Bild als Endergebnis immer weiter in den Hintergrund rĂŒckt.

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Wenn es nicht (mehr nur) um das schöne Bild am Ende geht, worum geht es dann?

Um den Prozess. Nicht nur der Malprozess im engen Sinne, sondern der gesamte Erfahrungsprozess, das gesamte Erlebnis, das du durchlÀufst, wenn du eine Pflanze malst.

Der Weg ist das Ziel ist eben genauso abgedroschen, wie wahr.

Mein 4 Schritte System, dass ich in meinen Tutorials lehre, ist nicht ohne Grund so pathetisch.
​Es geht nicht nur darum schnell, effizient mit guter Technik an dein Endergebnis (ein “gutes” Bild) zu kommen.

Es geht darum, was fĂŒr ein Mensch du bist, wie du dich fĂŒhlst, wĂ€hrend du es probierst.

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1. Staunen & Sehen lernen

Ohne das erste Entdecken und Staunen passiert erstmal gar nichts. Egal, ob du die Pflanzen direkt vor deiner HaustĂŒr dokumentierst oder gezielt in den botanischen Garten fĂ€hrst. (Oder auch woanders nach Referenzbildern suchst.) Du guckst durch deinen eigenen Filter. Einen Filter an Interessen und Wissen und Lust und Laune, den nur du in diesem einzigen Moment hast.​
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Selbst, wenn wir alle die gleiche Pflanze malen wĂŒrden, wir treffen alle - bewusst oder unbewusst- Entscheidungen darĂŒber, wie wir es malen.
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Es gibt eine magische Kombination aus unserem Interessen-Funken und unseren Erfahrungen und aus der endlosen Vielfalt an Motiven und Darstellungsmöglichkeiten springt uns eine in den Kopf. (Ich beschreibe hier gerade unnötig kompliziert das Konzept Inspiration.😉)

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2. Anfangen

Wir nehmen ein leeres Blatt Papier (oder auch einen leeren Bildschirm) und machen aus Nichts etwas. Wir kreieren. Wir sind kreativ.

Wir wagen uns immer wieder an den Schaffungsprozess.

Ich habe das GefĂŒhl, dass an dieser Stelle jemand mit einer geisteswissenschaftlichen Ausbildung, eine Philosoph*in oder Theolog*in, ansetzten und mehr schreiben könnte, aber mein Punkt kommt glaube ich auch so rĂŒber.

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3. Vertraue den Prozess

Es ist eben nicht mit einem Klick auf ENTER getan.

Es ist eine Aneinanderreihung von vielen kleinen Entscheidungen.

Die magische Kombination aus unserem Interessen-Funken und unseren Erfahrungen und FĂ€higkeiten, fĂŒhrt zu einer einzigartigen Kombination an Details, die gemalt (oder wegegelassen) werden.

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4. Feiern

Nach dem Malen stolz auf dich sein.

Nicht weil das Bild fertig ist. Nicht weil das Bild schön ist. Sondern, weil du es versucht hast, getan hast.

Die Freude am Malen und an deinem Bild und deinem Motiv nehmen und damit wieder los ziehen und von vorne Anfangen, mit dem Entdecken und Malen.

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Deine SkizzenbĂŒcher sind mehr als eine Ansammlung an Abbildungen. Sie sind Ausdruck deiner persönlichen Brille auf die (Um)Welt.

Deine Erfahrungen, Perspektiven und GefĂŒhle sind es, die deine Bilder so wertvoll machen.

Da kann KI uns nichts anhaben.

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In diesem Sinne

Frohes Entdecken und Malen,

Gesche

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Gesche Santen

In meinem 🌿📝✹Feldnotizen Newsletter teile ich meine Gedanken und Prozesse rund ums Wildblumen malen in Aquarell. Dabei gibt es fĂŒr dich eine geballte Handvoll praxisnaher Tipps - rund um Technik, Botanik und “nett zu dir sein, wĂ€hrend du malst”. 💚

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